Rundbrief 6

06.02.2005

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  • Ekyenyanja kivunda kuva kumutwe
  • Trip nach Lira
  • Die Maisernte
  • Kampala: Die Stadt der Gegensätze
  • Wirtschaft: verdreht - Fair Trade?
  • Bilder
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    Liebe Familie, Freunde, Kirchengemeinde, Mit-WFDler, Interessierte!

    Lieber Unterstützerkreis!

     

     

    Ekyenyanja kivunda kuva kumutwe

     

    Die Stimmung Kigandos ist noch keinen Deut besser und sogar der Geldeinsammler (conductor) im Taxi hat mich gefragt, ob es denn stimme, dass die Schule kurz vor der Schließung sei. An anderen Schulen wurde der Betrieb wieder aufgenommen. Deutlich erkennbar an den großen Gruppen an Kindern, die im Einheitsrosa oder -blau wieder unterwegs sind. Doch bei uns herrscht ziemliche Ruhe.

     

    Wie das Gespräch beim Bischof verlaufen ist, wurde mir nicht verraten. Überhaupt muss ich um etwas in Erfahrung zu bringen oft nachhaken und die richtigen Leute fragen. Nach allem, was meine Informanten herausgerückt haben, steht es weiterhin schlecht um die St. Joseph's Gemeinschaft. Zwar soll der Bischof Sr. Richard bedrängt haben, wie ihre Schwester Oberin und sonst fast alle, die etwas mit Kigando zu tun haben, Lindners Vorschläge zu akzeptieren, aber es kam zu keiner Lösung. Über Sisters Kopf hinweg kann oder will der Bischof wohl nicht entscheiden, da sie ja zu den Gründern gehört. In den letzten Wochen war Sr. Richard immer unterwegs. Auch momentan ist sie nicht zugegen. Sie veranstaltet die ganze Zeit Treffen: Kardinal, Bischof, "Elternabend". Eines dieser Treffen fand in Kigando statt. Es war für Eltern, SchülerInnen, die sich selbst vertreten, Priesterseminaristen oder andere für die Kinder Verantwortliche. Ich habe mich auch dazugesetzt, weil ich mein Interesse an der Zukunft Kigandos zeigen wollte und wissen wollte, was dort gesprochen wird. Doch alles war in Luganda. Das hatte ich mir aber gedacht und habe mich zwischen zwei Seminaristen gesetzt, die für mich von Zeit zu Zeit dolmetschten. Bei diesem Meeting berichtete Sr. Richard, dass es Probleme mit den Sponsoren gebe und fragte die Anwesenden, was denn nun zu tun sei...

     

    Sie sprach von einem "Dead Year" (totes Jahr). Der Schulbetrieb soll drastisch zurückgefahren werden, aber dafür die SchülerInnen mehr (als bisher) zur Landwirtschaft herangezogen werden. So sollen sie die Aufrechterhaltung für dieses und nächstes Jahr erwirtschaften.

     

    Unter solchen Umständen möchte ich nicht bleiben!

     

    Doch seien Sie/ seid versichert, so schnell sehen Sie/ seht Ihr mich in Deutschland nicht. Ich werde hier meinen Dienst zu Ende bringen, vielleicht aber an einem anderen Ort in Uganda. Zwischenzeitlich habe ich gute Kontakte zu anderen Einrichtungen und habe meine Fühler bereits ausgestreckt. Sr. Richard hat mich in einem persönlichen Gespräch, das ich aufgrund der Vorkommnisse mit ihr wünschte, zwar vertröstet, dass ich als Computerlehrer weitermachen könne. Doch ich habe keine Lust meinen Kinder Tippen beizubringen, um dann von jemandem unterbrochen zu werden, der sie zur Süßkartoffelernte abholt. Zwar ließe ich die SchülerInnen nur sehr ungern im Stich - sie tun mir sehr leid - doch als Erntehelfer möchte ich meinen Zivildienst nicht beenden. (Obwohl ich dafür qualifiziert zu sein scheine - vgl. unten.)

     

    Die Gründe für Sisters Verhalten sind und bleiben mir schleierhaft. Die einen behaupten, die Schwester sei macht- und geldgeil, andere meinen das "Dead Year" diene als Rosskur für Kigando um schwarze Schafe von hier zu vertreiben und der Pfarrer glaubt, das alles sei das Werk des Bruders (vgl. RM No5) - da macht er es sich aber sehr einfach. Ganz sicher ist jedenfalls, dass hier was oberfaul ist. Es krankt zwar an allen Gliedern Kigandos, doch sehr wahrscheinlich hat einer der Lehrer mit seiner Aussage recht: "Ekyenyanja kivunda kuva kumutwe" - Der Fisch stinkt vom Kopfe her.

     

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    Trip nach Lira

     

    Im Monat Januar war mein Nachbar aus Deutschland in Uganda. Er bereist dieses Land öfters und baut mit Hilfe seiner Gemeinde und Freunden im nördlicheren Teil Ugandas Kirchen, eine Schreinerei und jetzt auch eine Klinik. Ich wollte ihn gerne in Lira treffen, hatte aber zunächst Bedenken, da es doch relativ nördlich, also näher an Konys Rebellengebiet liegt. Doch im Nachhinein kann ich sagen, dass alles kein Problem war und ich mich jederzeit sicher gefühlt habe. Eine solche lange Reise macht man besser mit einem Bus und keinem Taxi (Matatu). Diese Art Reisebusse fahren auf den größeren Straßen von Kampala zu den anderen Städten. Damit reist es sich bequemer, schneller und sicherer - wenigstens für die Insassen.

     

    Von Kampala ging es zuerst genau Richtung Norden. Langsam wurde es trockener und flacher. Die Matokeplantagen machten einer Savannenebene Platz. Doch diese wurde plötzlich vom mächtigen Nil unterbrochen. Es wurde kurz hügelig und für wenige Momente zeigte sich der wilde Strom. Unter der Brücke über die wir fuhren und die einen militärischen Knackpunkt darstellt, zwängten sich Stromschnellen an Stromschnellen in's tiefgegrabene, dennoch weite, Bett. Auf der anderen Seite ging es wieder hoch und bald war es wieder eben, als ob nichts gewesen wäre. Ich sah öfters kleine Cassava (Maniok)"wäldchen" und übersichtliche Baumwollbestände. Dazwischen und hinter hohem Gras hielten sich die Rundhäuser der Dörfer versteckt.

     

    In Lira wurde ich herzlich empfangen und mein Nachbar stellte mir seine Kollegen und die Baustelle vor. Es hat mich schwer beeindruckt, wie man unter den sehr einfachen Bedingungen eine Klinik aufziehen kann. Ich hatte es richtiggehend genossen, mal für anderthalb Tage mit Hand anzulegen und kein "Mzungu, das ist zu schwer für dich" oder "Mzungu, die Sonne scheint zu heftig" zu hören. Als ich Lira wieder verließ, war man gerade dabei den Boden des ersten Stocks (von am Ende geplanten vier) zu betonieren. Mit der deutschen Gruppe, die den Bau leitet, habe ich mich sehr gut verstanden und hatte Spaß mit ihnen. Auch die Menschen um Lira, die Langi, empfand ich als freundlich. Am Abend, bevor ich die Stadt wieder verlassen wollte, ging beinah romantisch eine glühend goldrote Scheibe über dem angrenzenden Flüchtlingslager unter.

     

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    Die Maisernte

     

    Da ich aufgrund von Ferien und der unbestimmten Lage in Kigando kaum was zu tun habe bzw. machen kann, habe ich versucht mich doch mehr in den Alltag einzuklinken (trotz "Mzungu, du sollst dies und das nicht"). Also schloss ich mich der Maisernte an. Bitte schieben Sie Ihre Vorstellungen von einem roten Metallungetüm das über die planen Felder gleitet beiseite. Es ging mit unserem Traktor (der war aber tatsächlich rot!) und einem Anhänger los. Da drauf standen die Kinder. Ich habe mich neben dem Traktorfahrer unter das Dach gefaltet. Es ging durch unseren Eukalyptuswald auf irgendeinen geheimen Weg - auf jeden Fall habe ich von einem tatsächlichen Weg nichts gesehen - tief in den Busch. Dort standen der Mais und schon einige SchülerInnen. Ich habe mich schnell dem Erntevorgang angeschlossen und kämpfte mich von Pflanze zu Pflanze um dann dort ein, zwei Kolben abzumachen . Schnell war ich übersät mit Kletten und sonstigen hakigen Pflanzenteilen. Doch das Gestrüpp hatte auch einen ungemeinen Vorteil, spendete es doch durchweg Schatten. Normal ist es aber nicht, dass man Mais mitten im Busch anpflanzt, aber irgendwie hatte man vergessen dort Unkraut zu jäten...

     

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    Kampala: Die Stadt der Gegensätze

     

    Wenn ich von der Ruhe und Abgelegenheit Kigandos mal genug habe, fahre ich nach Kampala. Dort treffe ich meine Großstadtkollegen und schicke Ihnen und Euch diesen Rundbrief. Doch ich habe schnell von der Stadt genug. Sie ist krass. Sehr viel Verkehr, geschäftiges Huschen in den Gassen trifft auf gemütliches Feilschen auf den Märkten und viertelstundenlanges Warten, bis das Taxi aus dem Park tuckert. In der City stapeln sich Büros in den Himmel, der sich strahlend blau-weiß an der Glasfassade der Bankgebäude spiegelt. Bis der Regen kommt und sich aus den Gassen rotbraune Bäche in die Strassen ergießen, die Schlaglöcher zu unergründlichen Untiefen werden und der Stadtkanal zu einem hastigen Fluss anschwillt. Bis wieder nach kurzer Zeit die Sonne sticht. Dann hat der Geschäftsmann im schwarzen Anzug bestimmt seine Betriebstemperatur wieder und marschiert vorbei an den bettelnden und heulenden Kindern aus dem Norden, man erkennt das an den traditionellen Narbenmustern im Gesicht. Man schaut mehr als nur rechts, links, rechts wenn man über die Straße geht, um nicht ungewollt und vorne auf einem Boda mitgenommen zu werden. Es wird geschrien oder mit Schuhen geklatscht, um auf seine Ware aufmerksam zu machen. Ob materiell oder ideell. Lauthals verkünden eine Frau und ein Mann das Evangelium und wenn sie schnell genug die weiße Haut entdecken auch auf Englisch und kreischen dir ein heiseres "Halleluja" hinterher. Still hingegen sitzt der Poliokranke auf seinem Stück Zeitung und hebt fordernd die Hand. Einige Hundert Meter weiter robbt ein anderer Gelähmter quer durch den Straßenverkehr - auf den Knien, an denen er einige Fetzen Karton befestigt hat, und Händen, die in roten Badeschlappen stecken.

     

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    Wirtschaft: verdreht - Fair Trade?

     

    Immer wenn ich auf einer Fahrt an Baumwollplantagen vorbeikomme, wird in mir ein Gefühl von Ironie geweckt. Heutzutage diktiert die Weltwirtschaft und durch sie wir, die westlichen Konsumenten, die Preise und den Absatz für landwirtschaftliche (Roh)Produkte aus Afrika.

     

    Kaum wird eine Pflanze als gewinnbringend gepriesen und angebaut, fällt der Preis in den Keller und wir haben günstige Produkte. Der Baumwollpreis ist unten, Vanille wird vom Staat subventioniert (wodurch natürlich anderes auf der Strecke bleibt) und die Tabakbauern bekommen ihre Blätter nicht los. Die Menschen im Dorf verkaufen ein Kilo Kaffeefrüchte für 250 Shilling (12 cent). Geschält gehen die Bohnen für 500 Shilling weiter.

     

    Hier in Uganda wird hochwertiger Kaffee angebaut, doch den gibt es selten zu kaufen. Man bekommt nur qualitativ schlechtes Pulver oder Nescafé aus Kenia (aus ugandischen Bohnen gemacht - nennt man das Recycling?).

     

    Es sind nur noch Monate bis ich mir wieder eine feine Tasse Kaffee einschenken kann und dazu ein Buttercroissant genieße. Interessiert es mich dann noch, wie weit der Bauer mit seinen 12 cent kommt?

     

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    Bilder

     

    Im Bus setzt sich gegenüber eine Frau mit einem Kleinkind auf dem Rücken. Auf den weißen Schühchen des Buben prangert eine stilisierte Flagge der Vereinigten Staaten, darunter steht: "New Footwar".

     

     

    Als ich in Lira im Bus auf seine Abfahrt warte, entdecke ich zwei Massai. Sie stehen lange zusammen, sprechen wenig. Ihre Gesichter zeigen feine, mädchenhafte Züge. Sie tragen blau-rote Tücher. Jeweils eines als Oberteil, ein anderes als eine Art Rock um die Hüfte geschwungen. Der eine trägt kariert, oben blau-rot unten rot-blau. Der andere oben kariert unten gestreift. Ihre Füße stecken in Sandalen aus Autoreifen. Sie haben längere geflochtene Haare, die unter den Baseballcappies hervorlugen. Unter dem karierten Rock blitzt ab und an eine khakifarbene Bermuda hervor.

     

     

    Wir sitzen hinten auf einem Pickup. Dieser fährt rasch die staubige Bergstraße hoch. Sie ist in gutem Zustand. Doch bald wird sie wahrscheinlich besser sein. Dafür sorgt der steineklopfende Junge am Straßenrand, der von seiner Arbeit aufsteht und uns nachwinkt, bis wir ihn im grauen Staub nicht mehr ausmachen können.

     

     

    Ich besuche den Sonntagsgottesdienst in einer Kirche in der Nähe von Masaka. Es sind sehr viele Kinder da und ach, da gibts ja doch immer Probleme mit der Disziplin. Aber für die sorgt der Mann mit dem dünnen Stock, der während des ganzen Gottesdienstes durch die Reihen schreitet. Wir singen auf Luganda: "Jesus liebt dich". Na, wenigstens Er.

     

     

    Für heute mache ich mal Schluss. Ich melde mich hoffentlich wieder mit erfreulicheren Geschichten oder dem neuesten Tratsch aus Kigando.

     

    Halten Sie/ haltet mir die Treue, die mich das letzte halbe Jahr begleitet und getragen hat. Vielen Dank dafür!!

     

    Liebe Grüße

    Florian

     

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