Rundbrief 5

10.01.2005

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  • Weihnachten auf dem Dorfe - König Florian im Busch
  • Ferien in Kigando
  • St. Joseph's in Schwierigkeiten - wo ist das Geld?
  • Neues zu den ugandischen, öffentlichen Verkehrsmitteln
  • Bild
  • Ereignis
  • Bildernachtrag:
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    Lieber Unterstützerkreis!

     

     

    Gleich vorneweg möchte ich mich bei Ihnen und Euch für die (nicht nur elektronische) Weihnachtspost bedanken. Wie es Strom und Internetzugang zulassen, werde ich sie nach und nach beantworten.

     

    Ich hoffe Sie haben /Ihr habt den Jahreswechsel gut überstanden und sind / seid bereit für Neuigkeiten aus Uganda. Diesmal gibt es meine Weihnachtsgeschichte, zum ersten Mal Ferien als Lehrer, die Schwierigkeiten in Kigando und mal wieder was zum öffentlichen Personennahverkehr.

     

     

    Weihnachten auf dem Dorfe - König Florian im Busch

     

    Da der Schnee auf den Elefanten bald weggeschmolzen war, wir vergeblich auf Bananen vom Weihnachtsmann gewartet haben und die Weihnachtspalme doch nur aus Nadelbaumzweigen war ist bis heute keine wirkliche Weihnachtsstimmung aufgetreten. Dennoch habe ich die Feiertage gut überstanden, ja sogar genossen.

     

    Da über Weihnachten unsere SchülerInnen in ihre Heimatorte gefahren waren und es hier dementsprechend langweilig werden könnte, wurde mir empfohlen, Weihnachten nicht in Kigando zu verbringen. Ich war bei der Familie unserer Finanzsekretärin Sarah in Bukumi eingeladen. Das liegt gar nicht so weit weg von hier, könnte man direkt fahren. Aber es geht ja alles über Kampala, so dass wir dort eine Nacht Zwischenhalt machen mussten. Die Landschaft um Bukumi ist hügelig und von Steinmeeren übersät. Von denen hat man eine gute Sicht in die schöne Umgebung, die im Morgengrauen von wabernden Nebeln bedeckt ist.

     

    Nachdem ich mit Sarah angekommen war, begann ihre Familie mich zu begrüßen - was einige Minuten in Anspruch nahm. Dabei knieten sich die Frauen und Kinder hin. Das war mir wieder 'mal nicht unbedingt angenehm, doch auch nicht neu. Aus Höflichkeit ist es üblich, sich vor zu respektierenden Personen hin zu knieen, vor allem in ländlichen Gebieten. Das hängt wohl mit dem weitverbreiteten "Klassendenken" zusammen. Man stellt sich auch schnell die Frage, warum sich dann meist nur Frauen vor Männern hinknien. Das zeige doch wieder einmal die schlechte Stellung der Frau in der ugandischen Gesellschaft. Doch ein Schlüsselereignis war für mich als sich ein junger Mann einst vor Sr. Richard hinkniete. Dennoch sehe ich diese kulturelle Besonderheit kritisch, auch wenn ich sie zu weiten Teilen akzeptieren muss. Von den 12 Söhnen und Töchtern der Eltern von Sarah haben zwar manche gefehlt, dafür haben diese wiederum Kinder, so dass immer etwas los war um das Häuschen auf dem Hügel. Davor stand ein Mangobaum, dahinter ein Lehmhüttchen, das als Lager dient und in dem auch eine Kochstelle war. Ansonsten läuft das Leben auf dem Platz davor oder dem "Hof" dahinter ab. Diese werden am Morgen von Staub und Mangoblättern freigefegt, so dass die trockene, braunrote Erde sauber zu Tage liegt.

     

    Am Abend des 24. gingen wir in die Kirche. Ein schönes Gebäude mit Backsteinbögen und Wellblechdach. Durch die Schiffe zogen sich Wimpelbänder an denen Luftballone aufgehängt waren. Die Krippe zur Rechten des Altarraums war von Nadelzweigen bedeckt, die nach oben hin zu einem Weihnachtsbaum wurden um dem sich eine lila Girlande wand. Der Altar selbst war mit einer Lichterkette verziert. Mal leuchtete sie besinnlich auf um dann langsam wieder zu erlöschen, dann blinkte sie aufgeregt, wie ein Stroboskoplicht in der Disko. Damit hatte ich wenigstens etwas das meine Blickrichtung nach vorne hielt. Denn die Messe war in Lunyoro (schließlich befanden wir uns im Königreich Bunyoro) und trotz auch hörbarer Ähnlichkeit mit Luganda verstand ich natürlich noch weniger als sonst. Der Gottesdienst ging mit zwei Stunden sehr kurz. Bevor er zu Ende war, kam einer der Diakone von vorne auf unsere Gruppe zu, um einen meiner Gastgeber etwas zu fragen. Als der Pfarrer zum Schlusssegen kam, wurde ich als der Gast aus Deutschland besonders begrüßt und willkommen geheißen.

     

    Nach der Messe am nächsten Tag sind wir durch das Dorf gelaufen. Im gemütlichen Weihnachtsmarktgang schlenderten wir über die matschigen Straßen, denn zuvor hatte es gehagelt. Ich fragte mich, warum ich denn eigentlich nach Afrika gekommen bin, um dennoch deutsches Wetter an Weihnachten zu haben. Die Menschen saßen vor oder in ihren Läden und Häusern und betranken sich. Es gab Tonto (für die Männer) und Kwete (für die Frauen). Dieses lokale Bier, ein hellbraunes, relativ zähflüssiges Gebräu, schmeckte (mir) furchtbar.

     

    Von Beginn an bekam ich eine absolute Sonderbehandlung, die zum Ende hin abnahm, aber nicht ganz. Ich bekam extra Essen serviert (zwar lokal, aber nur das Beste) und für mich wurde in dem Klassenzimmer der nahen Schule in dem wir aus Platzgründen schliefen ein eisernes Bett gestellt plus Moskitonetz (mit Löchern, also nutzlos, habe es dennoch dankend angenommen). Am zweiten Weihnachtsfeiertag wurde ich in die Familie aufgenommen. Die Banyoro geben sich gerne Spitznamen, ich bekam den Namen Amooti. Am nächsten Tag konnte ich mich also ohne Probleme den allgemeinen Familienaufgaben widmen. So half ich die Ziegen rauszubringen, Wasser zu tragen - auf dem Kopf (was dann doch zu einer kleinen Aufregung führte, ich hätte mir ja den Hals brechen können) oder Erdnüsse zupfen. Letztere schmecken übrigens frisch ganz anders, doch auch lecker und als Soße an Matoke ein Gedicht! Auch die anfängliche Scheu der Kinder verflog nach und nach. So wurde ich der Mzungu zum Anfassen und Spielplatz für die Kleinen. Der Mzungu hat Haare am Arm, wie fühlen sich die am Kopf an, erstaunte Gesichter als ich sagte, dass mein Nachbar eher einen Hund hat, als dass bei ihm Hühner herumrennen. Da ich meinte, ich hätte noch nie eines der letztgenannten geschlachtet, erlaubte mir meine Maama (ich war also als Bruder von Sarah aufgenommen, womit die Kinder meine Neffen und Nichten wurden - kurzzeitig wurde noch diskutiert ob ich nicht eine der Schwestern heiraten wolle um mich damit als Schwiegersohn an die Familie zu binden) den einen Hahn suppentopffertig zu machen. Mit wackligem, vergleichsweise scharfem Messer wurde ich erfolgreich - und später hat's gut geschmeckt. Neben dem Hahn bekam ich von Maama auch noch einen Segen. Sie legte ihre Hände auf meinen Kopf und fing an zu beten in Lunyoro. Erst deutlich, später im Stakkato. Sie strich mir über die Haare, Rücken und Arme und ihre Stimme wurde lauter und lauter, die Worte mehr und mehr abgehackt. Amiina. So wurde ich gesegnet. An der überbauten, verrauchten Feuerstelle nach Einbruch der Nacht.

     

    Das waren meine Weihnachten in Bukumi. Ich habe es genossen einen tiefen Einblick in das Leben einer afrikanischen Familie werfen zu dürfen. Dort fühlte ich mich wirklich als brückenbauender Friedensdienstler.

     

    Natürlich waren Abenteuer für sich der Toilettengang oder die "Dusche" im eigens mit Bananenblätter ausgelegtem Verhau am Ziegenstall.

     

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    Ferien in Kigando

     

    Wie oben geschrieben sind ja die meisten der Schüler über die Ferien nach Hause gefahren. Jetzt sind vielleicht noch eine Anzahl von 100 SchülerInnen da. Auch ich habe mich gewundert wohin denn die Kinder fahren, wenn sie doch keine Eltern haben. Aber sie haben noch Verwandte, die sich für eine Zeit um sie sorgen. Obwohl es hier gerade sehr still zugeht, hat es auch einen Vorteil. Ich komme mit den Schülern besser in Kontakt. Die schiere Zahl der SchülerInnen erschwer(t)en mir es ungemein, mit ihnen zu sprechen oder spielen. Jetzt besuche ich zum Beispiel die ganz Kleinen und schaue ihnen beim Murmelspiel zu oder spiele mit anderen Matatu (Mau-Mau). Ich habe auch zwei Deutschklassen. Die eine ist ein bisschen fortgeschrittener, während ich die andere ganz frisch gestartet habe. Als ich aber nach Neujahr wieder zurück war, begrüßten die Schwestern mich gleich mit "Guten Abend! Wie geht's?".

     

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    St. Joseph's in Schwierigkeiten - wo ist das Geld?

     

    In Kigando geht schon seit geraumer Zeit einiges schief. Natürlich geht es ums liebe Geld. Aber auch die ganze Struktur der Gemeinschaft krankt. Seit nunmehr über vier Monaten bekommen die LehrerInnen kein Gehalt. Außerdem seien zu wenig eingestellt und ihnen stünde mehr Essen zu. (Das erhalten sie, aber die Soße fehlt.) Auch die Studenten in Kampala, die von der Hans Lindner Stiftung gesponsert werden, beklagen sich, dass das Geld, das sie bekommen bei weitem nicht reiche und es nicht dem entspricht, was ihnen zugesagt wurde. Außerdem ist der Bruder, der die Verwaltung der beiden Schulen Kigandos innehatte, aber so gut wie nie da war, nach Japan abgeflogen ohne dass er hier seine Nachfolge geregelt hat. Man hört jedeN murren es fehle Geld und jedeR hat eine andere halbseidene Geschichte warum das so ist auf Lager. Ich glaube, es hat zwei ineinandergreifende (Haupt-)Gründe. Erstens Misswirtschaft; Geld falsch investiert, nicht ans Budget gehalten...; zweitens Geldveruntreuung; in die eigene Tasche gewirtschaftet. Vor allem der erste Punkt ist offensichtlich. Sr. Richard meint, alles in der Hand halten zu können. Das Komplettmanagement von Versorgung der Kinder (Essen, Unterkunft), Landwirtschaft, Schule, die Betriebe (Bäckerei, Schusterei,...) und nebenbei ist sie ja die ChefSCHWESTER, die auch die ganzen kirchlichen Dinge überwacht. Sie ist zwar nicht in allen Bereichen, die auf dem Papier stehende Verantwortliche, dennoch hat sie überall das letzte Wort - ohne sie geht nichts. Das ist teilweise aber verständlich, da immer wenn sie Verantwortung auf andere übertragen hatte Korruption und Misswirtschaft um sich griffen. Doch so gravierend wie heuer waren die Probleme noch nie.

     

    Also musste Herr Lindner mit Tochter Veronika wieder mal Kigando einen Feuerwehrbesuch abstatten. Sie brachten auch zwei Ugander mit. Der eine ist als Finanzmanager gedacht, die andere als Leiterin des Schulsektors. Diese vier waren die ganze Zeit damit beschäftigt, Leute zu interviewen und Fakten zu sammeln. Ich bin der Überzeugung, dass mit einem neuen Management die Probleme angegangen werden können. Doch Schwester Richard verweigerte bisher die beiden neuen Kräfte zu akzeptieren. Damit ist sie aber in der Gemeinschaft, wie ich es in Gesprächen mit u.a. Lehrern erfahren habe, die einzige. Herr Lindner ist natürlich nicht bereit St. Joseph's unter den alten Umständen weiterhin zu unterstützen. Dazu meinte Sr. Richard, Gott hat uns Lindner geschickt, Er wird uns jemanden anderen schicken. Jetzt ist die ohnehin schlechte Stimmung in Kigando insbesondere bei den LehrerInnen nahe dem Gefrierpunkt angekommen, konnten sie ja auch aufgrund fehlenden Geldes über Weihnachten nicht zu ihren Familien fahren und mussten bei den Geschäften Schulden machen um Essen zu bekommen. Jetzt werden Pläne gemacht woher man Geld für den Transport bekommt um dann an einer anderen Schule sich zu bewerben. JA sieht grad sehr schwarz aus! Der optimale Einstieg ins Neue Jahr.

     

    Doch das letzte Wörtchen ist gerade am Fallen. Denn da dies hier eine kirchliche Einrichtung ist, hat der Bischof über Personalfragen zu entscheiden. Heute Mittag trafen sich er, die Lindners und Sr. Richard in Mityana. Bisher hat noch keine Buschtrommel übermittelt, ob über Kigando der Daumen nach oben oder unten zeigt.

     

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    Neues zu den ugandischen, öffentlichen Verkehrsmitteln

     

    In God we trust - Liverpool - Game Over - Arsenal -Good Fish - Manchester Unainted (sic!) - Smart Boyz - Time is money - Thank U Jesus - Toyota - Allah is with you - I love Samona Jelly - ...

     

    Das ist nur eine kleine Auswahl der Slogans, die auf jedem Taxi hier in Uganda stehen. Nett finde ich wirklich "Toyota", falls man das Offensichtliche übersehen hat, aber auch "Time is money" gehört ganz nach oben auf meiner Hitliste...

     

    Wenn man Entwicklung an der Veränderung im Straßenverkehr messen würde, könnte man meinen, Uganda ist auf dem schnellsten Weg den Olymp der westlichen Nationen zu erklimmen. Einige Wochen nach meiner Ankunft wurde die Helmpflicht für Motorräder eingeführt. Und zwischenzeitlich kann man in Kampala kaum einen Bodafahrer ohne Helm antreffen. Sogar hier im Busch wurde unser Konrektor Makanaga wegen Nichttragen des Helms für kurze Zeit eingebuchtet. Die neueste Erfindung ist jetzt der Sicherheitsgurt. Seit geraumer Zeit muss jedes Taxi an den Sitzen Gurte angebracht haben. Das ist meistens nur ein Bauchgurt. Der nichts bringt, auch wenn er mal stecken bleiben würde. Denn eigentlich sollte der Gurt doch den Passagier davon abhalten bei einem Unfall nach Vorne zu fliegen. Doch das ist in den engen Taxen eh nicht möglich, ist man doch zwischen den Sitzreihen, Maissäcken, Schaumstoffmatten, Ziegen genügend eingeklemmt. Also bleibt mir noch die Erklärung zu akzeptieren, dass mit der Gurtpflicht die Beförderungszahl eingehalten wird. Dabei wird von der Polizei aus auch durchgegriffen. Ein befreundeter Priesterseminarist wurde wegen Nichtanlegen des Gurtes aus dem Taxi gebeten. Während sein Mitfahrer 20000 Uganda Shilling (Ush) zahlen musste, bekam er es zum Studententarif von 2000 Ush (1 Euro).

     

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    Bild

     

    Der alte Mann sitzt in der Kirche von Bukumi zwei Reihen vor mir. Sein Haar, wie der Bart, ist weiß mit einem rötlichen Schimmer vom überall hinwehenden Staub der Wege. Über dem verschlissenen Hemd trägt er ein einst wohl dunkelblaues Jacket auf dem sich Fliegen ausruhen. Es ist am Rücken eingerissen, das macht es aber auch nicht gerade einem Frack ähnlich. Er ist barfuß. Es ist Weihnachten. Jeder kommt so schick wie nur möglich in die Kirche.

     

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    Ereignis

     

    Den lieben langen Tag fliegen die UN Hubschrauber und Flugzeuge in Bukumi über uns hinweg. Sie sind auf dem Weg zu einer Mission ins Grenzgebiet von Kongo, Ruanda und Uganda. Interessant, so nah am Weltgeschehen zu sein.

     

    Am nächsten Tag erfahre ich beim Pfarrer von dem Seebeben im indischen Ozean. Das ist aber die einzige vage Information, die ich bekomm bis ich wieder in Kampala bin. Schwer, oftmals von der Außenwelt so abgeschnitten zu sein.

     

     

    Jetzt sind es schon wieder vier Wordseiten geworden. Ich wünsche Ihnen und Euch allen nochmals alles Gute für dieses neue Jahr 2005. Danke für Ihre und Eure Briefe, Gebete, Gedanken, sie geben mir Kraft und Ausdauer - und ganz bestimmt auch in dieser ungewissen Stunde um Kigando.

     

    Mit lieben Grüßen,

    Euer und Ihr

    Florian

     

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    Bildernachtrag:

     

    Zuhause - zum Vergrößern klicken

    Am Bildrand links der Vater, in der Mitte im hellen Gomez Maama

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

    Vater vor Landschaft - zum Vergrößern klicken

    Vater vor Landschaft

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

    Ich schneide den Geburtstagskuchen an - zum Vergrößern klicken!

    Sr. Richard, ich, Sr. Theo beim typischen Kuchenanschneiden (daraus wird immer eine Mordsgaudi gemacht)

     

     

     

     

     

     

     

     

     

     

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