Rundbrief 3

07.11.2004

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  • Mein jetziger Job: Lehrer
  • Pfarrerwechsel
  • Namenstag
  • In Kigando ist der Teufel los
  • Special German Bakery
  • Es geht auch anders: Schulen in Hoima
  • Begegnungen
  •  

     

    Liebe Familie, Freunde, Kirchengemeinde St. Bonifatius, Mit-WFDler, Interessierte!

    Lieber Unterstützerkreis!

     

     

    Hier melde ich mich wieder mit meinem Bericht aus dem wunderbar warmen Uganda. Zuerst möchte ich mich aber entschuldigen, für den Virus der sich gemeinerweise in meine letzte mail eingeschlichen hat. Ich hoffe sehr, dass er keinen Schaden bei Ihnen angerichtet hat.

     

    Zwischenzeitlich sind die beiden Pioniere des WFD in Uganda wieder zurück nach Deutschland. Simon und Julian haben uns (Vanessa und mir) sehr geholfen, sich in unserem Gastland zurechtzufinden. Mwebale nnyo!

     

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    Mein jetziger Job: Lehrer

     

    Nach manchem Nachfragen und hin und her bin ich hier jetzt Lehrer geworden. Doch zunächst einige Erläuterungen zum ugandischen Schulsystem (so weit ich das schon durchblicke).

     

    Es gibt in Uganda Primary und Secondary Schools. Primary geht von P1 bis P7. Secondary startet mit S1 und endet mit S6. Eine Altersangabe zu nennen ist nicht gerade sinnig, da es keine Altersbegrenzung gibt, um jedem den Zugang zu Schulbildung zu ermöglichen (theoretisch). In P7, S4 und S6 gibt es gegen Ende des Schuljahres Prüfungen (Exams). Nach S4 haben die SchülerInnen ihr sogenanntes O-level, vielleicht vergleichbar mit unserem Realschulabschluss, nach S6 ihr A-level, also die Möglichkeit auf die Universität zu gehen. In Uganda sind Schulgelder üblich und es herrscht allgemeine Schulpflicht. Doch Präsident Museveni hat in den letzten Jahren Gesetze gemacht den Zugang zu Grundbildung für alle Kinder zu ermöglichen, indem er (mehr) staatliche Schulen (Governmental Primary Schools) bauen ließ. Doch die Qualität dieser Schulen lässt zu wünschen übrig. Die Regierung spricht von Einschulungsraten von 80%, aber von diesen verlassen in den sieben Jahren 65% wieder die Schule.

     

    (Q: Die Zahlen stammen aus dem Reiseführer "Uganda, Ruanda"; C. Lübbert; Reise Know-How Verlag, Bielefeld, 2004 sowie von einem Mitarbeiter der GTZ im ugandischen Bildungssektor)

     

    Unsere Schule unterscheidet sich von den anderen Schulen, da sie eine katholische Gemeinschaft ist und dem Bischof unterstellt ist. Die Kinder haben ja nicht die Möglichkeit Geld für Bildung aufzubringen, da sie Waisen oder Halbwaisen, oder anderweitig bedürftig sind. Sie bekommen hier freie Bildung, Essen und Wohnstätten.

     

    Anfangs bot ich den Verantwortlichen der Schule an, ich könne helfen in den Naturwissenschaften und in Informatik mit zu unterrichten. Irgendwann stand mein Stundenplan und darauf Mathematik S1 und S2, Chemie S4 und Physik S5. Da sieht man doch deutlich den landesweiten Mangel an Naturwissenschaftlern. Zum "Vorbereiten" bekam ich ein Büchlein, was am Ende der Schule einE SchülerIn zu wissen hat und einige sogenannte Textbooks für die einzelnen Fächer. Aber einen echten Lehrplan oder etwas ähnliches, aus dem ersichtlich wäre, was ich eigentlich zu unterrichten habe, sah ich bis heut noch nicht. Dennoch ging ich frisch ans Werk. Kinder beim Maistrocknen - zum Vergrößern clicken!Doch als ich in die verschiedenen Klassen gehen wollte, taten sich weitere Schwierigkeiten auf: Meine SchülerInnen waren nicht da. Auf Anfrage habe ich rausgekriegt, dass sie im Garten sind, also bei der Feldarbeit, oder gerade eine Bestrafung in der "Mainhall" bekommen. Ein anderes Mal war ein anderer Lehrer da, der meinen Unterricht gerade machte. Das ging so einige Zeit, bis ich einen revidierten Plan verlangte. Chemie unterrichte ich jetzt "nicht mehr". Ist mir ja zuvor nicht gelungen. Mit Mathe und Physik klappt es ganz gut, ich hab dann durch Befragung der Schüler herausbekommen, was sie als letztes gemacht haben, bzw. in was sie den gern unterrichtet werden würden.

     

    Es ist echt nicht einfach in Englisch alles rüberzubringen - man war ganz erstaunt als ich dem Direktor gesagt hatte, dass unsere Unterrichtssprache Deutsch ist - und zudem bin ich KEIN Lehrer. Der Frontenwechsel innerhalb einen Vierteljahres ist nicht einfach. Ich schaue, wie ich mich einbringen kann und zeige meine Bereitschaft zu helfen, werde aber deutlich sagen , dass ich keinen Lehrer ersetzen kann. Aber trotz allem macht es Spaß, die Kinder zu unterrichten, auch wenn ich des öfteren seufze, wenn zum Beispiel weit und breit kein Magnet in der Schule zu finden ist - im Physikunterricht, Thema Elektromagnetismus...

     

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    Pfarrerwechsel

     

    Bis vor kurzem hatten wir hier Father Edward Ndalike als Seelsorger. Nun haben wir einen neuen Pfarrer, der unserem Father Kasole helfen soll. Die Menschen hier und allen voran Sr. Richard sind voll der Hoffnung, dass Fr. Kasole wieder voll genesen wird und wiederkommt. Doch sein Gesundheitszustand besagt anderes. Als ich angekommen war, lag er immer in seinem Bett in Kampala, wo er gepflegt wird, und hat kaum ein Wort gesprochen und wohl sehr wenig aus seiner Umgebung mitbekommen. Jetzt geht es ihm wieder besser und ich konnte wenige Worte mit ihm wechseln. Doch gerade in der letzten Woche hat sich seine Gesundheit kurz dramatisch verschlechtert. Er muss nun künstlich ernährt werden. Momentan stabilisiert sich sein Zustand. Doch er wird sicherlich nicht mehr der sein, der er früher war. Leider hab ich ihn zuvor nicht erlebt, denn nach Meinung aller war er ein äußerst angenehmer Mensch.

     

    Wegen des Wechsel der Pfarrer gab es auch ein kleines Fest. Die SchülerInnen haben einige Tänze, Gesänge und Theater auf die Bühne gebracht. Auch ich wurde fünf Minuten vor Beginn des Ganzen überredet bei einem Lied mitzumachen. Also habe ich auf die Schnelle die Textzeile in Luganda gelernt und die "Choreographie" abgestimmt. Fingerschnippsen - ist ja machbar. Wir waren drei auf der Bühne ein Frontsänger und ich mit einem anderen im Hintergrund. Der zweite Teil sollte eigentlich nur aus Klatschen bestehen, doch irgendwie ist alles ausgeartet. Denn dann wurde - ganz traditionell - die Hüfte gekreist. Das ist eigentlich stark verharmlost, denn wenn die Mädels mit ihrem Gesäß wackeln wird's einem schwindelig. Es sind nämlich weitere auf die Bühne gekommen und haben die Pfarrer zum tanzen auf die Bühne geholt. Und irgendwann hatte ich auch das Fellteil um die Hüften und habe versucht damit zu wackeln. Ob ich jetzt in die "Traditional Dance" Gruppe aufgenommen werde weiß ich nicht, aber die Menge hat gejohlt.

     

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    Namenstag

     

    Das nächste Fest war der Namenstag der Erzengel. Wir haben im Konvent eine Schwester Gabriel und einen Elektriker Michael. Der Namenstag wird hier größer gefeiert, als bei uns (wenn er denn gefeiert wird). Also versammelte sich die "Festgemeinschaft" - Schwestern, Pfarrer, "höhere Angestellte"... rund 20 Leute - am Abend in einem größeren Zimmer zum Essen. Während diesem wurde das "Programm" vorgelesen. Rede von Mr. X, Schwester Y, Pfarrer, Sr. Richard,... Lied von demunddem, Rede von... UND Rede von unserem Florian Yiga. OK hab ich gesagt dann werde ich halt auch 'ne Rede schwingen. Der ganze Abend war in Luganda, so dass ich keine Ahnung hatte von was die anderen gesprochen haben. Dann hab' ich mir was zusammengereimt und einfach 'mal was mir zu den Namen und dem Namenstag an sich eingefallen ist zum Besten gegeben. Als ich noch mit einem Liedlein geendet hatte, konnte ich mich unter nettem Applaus wieder setzen.

     

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    In Kigando ist der Teufel los

     

    An einem Abend war ich in meinem Zimmer zur "Prayertime". Also haben sich die SchülerInnen zum Gebet in der Kapelle und im Garten davor versammelt. Mein Zimmer geht auch in diesen Garten hinaus. Auf einmal ging ein Tumult los. Ich hab' aus dem Fenster geblickt und habe einige Mädchen kreischend rumrennen sehen. Das wurde vom Schreien einer Person übertönt. Ich dachte, ach nett jetzt spielen sie Fangen in meinem Vorgarten. Aber später erfuhr ich dann, was eigentlich los war: Der Leibhaftige, nämlich. Ja, der Satan hat Besitz ergriffen von diesem schreienden Mädchen. Und dieser wurde von ihren Eltern geschickt, die nicht wollen, dass sie hier in der Gemeinschaft ist. So hat mir das der Pfarrer erklärt. Doch mit Gebeten und Weihwasser trinken wird das wieder. Darf ich mir die Frage erlauben "Sind wir hier im Mittelalter?" oder wäre das typisch weiß. Zeigte das wieder die Intoleranz gegenüber Afrika, wo der Glaube an Geister und Ahnen konkret im Alltag vorhanden ist oder ist eine Hinterfragung berechtigt???

     

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    Special German Bakery

     

    Gerade hat Kigando weiteren Besuch aus Deutschland: Silvia Kuchinka eine ehemalige Lehrerin, frisch im Ruhestand, die von Herrn Lindner gesandt wurde um den LehrerInnen Tipps beim Gestalten des Unterrichts zu geben. Doch natürlich interessieren auch andere Dinge. Kigando hat hier einige tolle "Betriebe" (Wenn sie denn betrieben würden...): Schusterei, Schreinerei, Bäckerei... In die letztere haben wir uns jetzt eingemischt. Richard, der Bäcker war einmal für einige Wochen in Deutschland um einen Schnelldurchlauf im Bäckerhandwerk zu bekommen. Auf die Frage warum er denn seine Produkte nicht nach außerhalb verkaufe, sagte er uns, dass er Labels bräuchte für die Kennzeichnung seiner Produkte. Also haben Silvia und ich uns in den Computerraum gesetzt und nette Labels entworfen: Ein großes Schild mit der Aufschrift "Special German Bakery - Daily fresh from KIGANDO". Ein bisschen verziert und dann in einheitlicher Schrift jeweils die Produktbezeichnung. Tja und nun läuft wohl der Verkauf. Er hat schon nach neuen Labels verlangt.

     

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    Es geht auch anders: Schulen in Hoima

     

    Mit Silvia, der Schatzmeisterin/Sekretärin von Kigando, Sarah und einigen vom Lehrpersonal sind wir nach Hoima gefahren. Dort haben wir diverse Schulen besucht um Eindrücke zu bekommen, wie Schule an anderen Orten in Uganda läuft. Hoima ist eine Kleinstadt und das Zentrum des Nachbarkönigreichs Bunyoro. Doch ein Barockschloss a la Ludwigsburg darf man sich dort bei weitem nicht vorstellen. Fährt man die Straße von Kampala nach Kiboga weiter, kommt man nach Hoima. Die Stadt ist nicht berauschend doch mit meinem größeren "Tradingcenter" Kiboga kann ich noch weniger prahlen.

     

    Wir waren zunächst eingeladen eine Primary School zu besuchen, danach einen angeschlossenen Kindergarten. Später waren wir noch in der Mandela Secondary School, bevor wir noch eine entlegene junge Gemeinde (Kitoba) besuchten, die auch eine eigene Schule führt. Die Besuche waren schön und aufschlussreich, dies insoweit, da diese Schulen mit wenig Kapital Tolles schaffen. Ihnen gemein war der gesunde pädagogische Geist der dort herrschte. Die LehrerInnen stehen hinter ihrer Aufgabe und setzen Ideen trotz Unannehmlichkeiten kreativ um. Das vermissen wir leider hier in Kigando.

     

    Der Pfarrer von Kitoba ist mit 100 Jugendlichen aus Hoima nach Deutschland eingeladen zum Weltjugendtag 2005 in Köln. Ich finde das absolut toll! Die Gastgeberin ist die Gemeinde Linnen (oder so) im Norden Deutschlands in der Nähe der Grenze zu den Niederlanden.

     

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    Und zum Ende hin wiedereinmal

     

    Begegnungen

     

    Auf einer Taxifahrt von Kampala Richtung Entebbe saß neben mir ein Mann. Ich habe ihn begrüßt (auf Luganda) und damit startete unsere Konversation. Er hat in der Ukraine in den 80ern, also damals Sowjetunion, studiert. Er hat mir berichtet wie es war als Afrikaner in Russland, mit den Menschen, mit der ab und an dort herrschenden Kälte und, dass er einmal durch den Ostblock bis nach Deutschland gereist ist.

     

     

    Joseph ist ein Rektor einer kleinen Primary School in einem Vorort von Kampala. Sie macht trotz all der Einfachheit einen sehr positiven Eindruck. Er meint, der Grund warum es hier kaum Verbesserungen gibt, sei der, dass es den Menschen eigentlich an dem Lebensnotwendigen nie gefehlt habe. Das Land bietet alles. So war es nicht nötig Ideen zu entwickeln. Deshalb sagt er schickt kein Geld nach Uganda, das hemmt nur Entwicklung. Lasst Uganda, Afrika sich selbst entwickeln. Was sagen Sie dazu???


    Für alle die sich immer über hohe Parkgebühren in Städten aufregen: In Kampala (der HAUPTSTADT) kostet eine halbe Stunde parken am Nakasero Markt, dem größten der Stadt, EINEN Eurocent.

    Da ist Mani- und Pediküre teurer: Nägel schneiden, feilen, färben kostet 25 Cent. Das mach' ich, wohl aus Gewohnheit, noch selber.

     

     

    Kinder vor einer Hütte - zum Vergrößern clicken!Damit Sie sich ein besseres Bild von Uganda und mir darin machen können, sende ich eine Auswahl an Photos mit. Ich habe die Bilder kleiner gemacht, damit Sie nicht minutenlang runterladen, aber auch ich nicht stundenlang hochladen, muss. Ich hoffe, dass es damit klappt.

     

    (Anmerkung: außer dem untenstehenden Bild wurden alle Bilder bereits zur Illustration der Rundbriefe verwendet!)

     

    Diesmal habe ich mich versucht kürzer zu fassen, ich hoffe Sie sind dennoch auf ihre Kosten gekommen. Doch ich möchte Sie einladen mir Fragen zu stellen oder auch die meinigen, obigen zu antworten. Oder wenn Sie sonst einen Kommentar loswerden wollen, "Fili Firi" (Feel free), schreiben Sie mir einfach . Ich werde sehr wahrscheinlich nicht jede mail direkt beantworten können, doch ich kann Ihre als Anregung für die nächsten Berichte verwenden. Danke.

     

     

    Ich sende sonnige freundliche Grüße ins herbstliche Deutschland und an Euch in alle Welt!

     

    Florian

     

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